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Hilfe! Wir brauchen einen Betriebsrat!

Gründung - Wahlen - Aufgaben - Probleme

Das Gesetz sieht vor, dass jeder Betrieb ab fünf Beschäftigten einen Betriebsrat haben sollte. Wenn Sie noch nicht von einem Betriebsrat vertreten werden, dann wird es höchste Zeit! Das DGB-Bildungswerk Bayern stellt die wichtigsten Schritte auf dem Weg zur Gründung eines Betriebsrats vor.

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Interwiew Claudia Bianco

"Es ist immer wieder eine Herausforderung"

Claudia Bianco, 51 Jahre alt, ist seit dreizehn Jahren Betriebsratsvorsitzende der Firma Erhardt + Leimer in Leitershofen bei Augsburg. Vierhundert Mitarbeiter sind am Augsburger Betriebsstandort beschäftigt, der Betriebsrat besteht schon seit Jahrzehnten. Die Firma Erhardt + Leimer ist ein alt eingesessenes Augsburger Unternehmen. Sie ist im Bereich des Maschinenbaus, der Apparatetechnik und Regelungstechnik produzierend tätig. Die Firma hat Tochterunternehmen in Europa, den USA, Brasilien und in Asien.

Der Betriebsrat in Leitershofen besteht aus elf Mitgliedern, fünf davon sind Frauen. Im Betrieb besteht ein Frauenanteil von circa zwanzig Prozent.
Seit 1987 sitzt Frau Bianco im Betriebsrat, seit 1990 ist sie Betriebsratsvorsitzende. Als Lehrling kam sie 1968 in die Firma, lernte Elektromechanikerin und machte später eine Zusatzausbildung zur Industriekauffrau. Seit 1990 ist sie eine von zwei freigestellten Betriebsratsmitgliedern.

Frau Bianco, seit dreizehn Jahren sind Sie Betriebsratsvorsitzende. Ist es nicht ungewöhnlich, dass eine Frau diesen Posten in der metallverarbeitenden Industrie inne hat?

Ja, durchaus. Im Bezirk Schwaben sind nur zwei Frauen Betriebsratsvorsitzende. In anderen Branchen sieht das natürlich anders aus. In der Textilindustrie oder im Handel sind Frauen viel zahlreicher in Betriebsräten vertreten. Die machen dann natürlich auch einen größeren Anteil an der Gesamtbelegschaft aus.

Gab es Probleme, weil eine Frau Ihren Posten inne hat? Wie waren die Reaktionen zu Beginn Ihrer Tätigkeit?

Es gab überhaupt keine Probleme. Ich komme wunderbar mit den Männern bei uns zurecht. Überhaupt sind wir ein gutes Team in unserem Betriebsrat. Das halte ich für ganz wichtig. Es ist die wichtigste Voraussetzung für eine gute Betriebsratsarbeit. Später habe ich noch einige Frauen motivieren können, sich ebenfalls im Betriebsrat zu engagieren. Von elf Mitgliedern sind jetzt fünf Frauen in unserem Betriebsrat.

Frau Bianco, welches sind die Themen, die Ihren Betriebsrat aktuell beschäftigen?

Zur Zeit läuft es eher ruhig, zweimal im Monat findet eine Betriebsratssitzung statt, aber wir haben im Moment keine aktuellen Probleme im Betrieb.
Im vergangenen Jahr musste der Betrieb einhundert Leute entlassen. Viele ältere Arbeitnehmer und Teilzeitkräfte waren betroffen, das war eine harte Zeit. Wir haben um jeden Arbeitsplatz gekämpft, mit der Geschäftsführung verhandelt und Sozialpläne aufgestellt. Wir konnten einige Arbeitsplätze retten. Trotzdem bin ich mit unserer Arbeit nicht ganz zufrieden. Wir hätten noch härter kämpfen können. Rückblickend muss ich sagen, dass die Auswahl der Betroffenen nicht immer sozial gerecht war. Meistens waren die unteren Lohngruppen von den Entlassungen betroffen. Trotz der Erfolge, die unser Betriebsrat ohne Zweifel hatte, bin ich nicht ganz zufrieden mit unserer damaligen Arbeit.

Welche Aufgaben Ihres Betriebsrats sehen Sie für die nahe Zukunft?

Eines der Themen, die auf uns zukommen, ist der Datenschutz im Internetbereich. Alle Aktivitäten der Mitarbeiter in dem Bereich sind ja kontrollierbar. Wir möchten eine Betriebsvereinbarung abschließen, die den Arbeitnehmern mehr Datenschutz bietet. Ein weiteres Thema ist die Umsetzung der von der IG-Metall tarifvertraglich vereinbarten neuen Entgeltgruppen. Dieses neue Entlohnungsprinzip in die Praxis umzusetzen, wird sehr viel Arbeit mit sich bringen. Wir werden dazu einen Arbeitskreis im Betrieb gründen und Kollegen zu dem Thema in Fortbildungsseminare schicken. Da liegt ein großes Stück Arbeit vor uns.

Seit dem Jahr 2002 ist ja auch der Umweltschutz eine Aufgabe der Betriebsräte. Welche Rolle spielt der Umweltschutz in Ihrer Arbeit?

Eigentlich war der Umweltschutz schon immer ein Thema im Betrieb. Vor einigen Jahren haben wir in der Fertigung die Vermeidung giftiger Bohrschleifflüssigkeiten durchgesetzt. Jetzt sind sie nicht mehr giftig. Auch einen Mobilfunkmast auf dem Dach der Firma konnten wir abwehren. Wir haben einen Sicherheitsbeauftragten im Betrieb, der sich auch um den Umweltschutz kümmert. Für uns ist das Thema "Umweltschutz" nichts Neues.

Wie ist die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung?

Zur Zeit sehr gut. Aber das hängt immer von der Person des jeweiligen Geschäftsführers ab. Wir hatten auch schon schlechte Zeiten. Mit dem derzeitigen Geschäftsführer arbeiten wir gut zusammen. Seit die wirtschaftliche Lage schlechter geworden ist, hat sich die Zusammenarbeit eher noch verbessert. In der Phase der Entlassungen im vergangenen Jahr hat die Geschäftsführung teilweise unseren Rat gesucht, hat versucht, "uns ins Boot zu holen".
Einerseits hat das unseren Einfluss gestärkt, andererseits ist es in wirtschaftlich schlechten Zeiten natürlich kein Wunder, wenn wir zum Beispiel mehr Informationen zur wirtschaftlichen Situation des Betriebs bekommen. In früheren Zeiten hatten wir auch schon Auseinandersetzungen mit der Geschäftsführung, die bis zum Arbeitsgericht getragen wurden. Das war gar nicht so schlecht. Es hat den Respekt vor dem Betriebsrat gestärkt und die Zusammenarbeit langfristig verbessert. Man muss als Betriebsrat auch schon mal einen Konflikt riskieren.

Welche Fähigkeiten sollte ein Betriebsrat Ihrer Meinung nach mitbringen?

Man sollte sich durchsetzen können, gute Nerven haben, bei Konflikten gelassen bleiben. Und man sollte immer den "Blick für's Ganze" haben. Nie sollte man den Überblick über die Gesamtlage des Betriebs verlieren. Und - ganz wichtig - man muss sich auch gegenüber den Kollegen durchsetzen können und ehrlich sein.

Welches waren Ihre größten Erfolgserlebnisse in Ihrer langjährigen Tätigkeit?

Sicherlich die Einführung der Gleitzeit im Arbeiterbereich, das ist in dieser Branche durchaus ungewöhnlich. Es gab große Widerstände auf Arbeitgeberseite, die wir überwinden konnten. Darauf bin ich stolz. Im übrigen liegen die Erfolge eines Betriebsrats oft im Kleinen. Einfach in der Abwehr nachteiliger Neuerungen. Zum Beispiel haben wir die Auslagerung der Fertigung verhindern können. Auch das ist ein großer Erfolg.

Also macht Ihnen Ihre Arbeit als Betriebsratsvorsitzende durchaus Freude?

Ja natürlich, sonst würde ich es schon gar nicht mehr machen. Es ist immer wieder eine Herausforderung und ich freue mich, wenn wir zum Beispiel einen Arbeitsplatz retten können. Es kommt nicht so oft vor, umso größer ist die Freude. Frau Bianco, ich danke Ihnen für das Gespräch.